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Die Lehrperson: mehr Coach als Meister

Meinen SchülerInnen gegenüber verstehe ich mich als Coach, meine Erfahrungen und Reflexionen brachten mich so zur systemischen Pädagogik.

Dabei kommt die Verbindung zum Sport durch den Begriff des Coaches nicht von ungefähr. Mein großes Interesse dem Sport gegenüber fußt insbesondere auf der Rolle des Trainers und der Beziehung zwischen Trainer und Sportler und damit auch auf der psychologischen Ebene. Dabei sind einige Parallelen zwischen der Wirksamkeit einer Lehrperson und der eines Trainers zu beobachten, so beispielsweise:

  • Meine These Wer in Führung geht, ist im Nachteil: Herausforderung ist gesünder als Erfolg. Erstere bedeutet Prozess, Neugierde, Bereitschaft. Ich arbeite gerne mit Spielern, die selbstkritisch sind und trotzdem über Selbstvertrauen verfügen. Diese Mischung hilft, hungrig zu bleiben und besser zu werden. (Ralph Hasenhüttl, Trainer von RB Leipzig).
  • Das plötzliche Aufblühen eines Sportlers unter einem neuen Trainer: Ich habe schlicht ein großes Interesse, daran, dass die Mannschaft funktioniert. (Markus Weinzierl, Trainer von Schalke 04). Auf den Schüler derartig einwirken, dass dessen Potentiale optimal zur Geltung kommen. Dabei sind etwaige Fehler einkalkuliert und gewollt.
  • Die zahlreichen aktuellen Startrainer im Fußball, die vorher als Spieler keine große Rolle spielten, aus diesem Grunde jedoch umso wirksamer sein können: Du schaffst dir als Trainer keine Anerkennung dadurch, dass du selber mal ein guter Fußballer warst. Das interessiert keinen Spieler. Ihn interessiert, was du ihm mit auf den Weg gibts, damit er mal ein sehr Guter wird und was ihm hilft, Spiele zu gewinnen. (Ralph Hasenhüttl).
  • Ein guter Spieler/Musiker muss nicht zwangsläufig ein guter Lehrer sein, oft dadurch bedingt, dass er selbst in seiner Entwicklung kaum durch Täler gehen musste und daher weniger gezwungen war, die eigene Entwicklung zu reflektieren oder Mittel und Strategien zur Problemlösung zu erfinden. Dagegen: Ich war als Spieler mit wenig Talent gesegnet, musste mir alles erarbeiten. Dafür habe ich sehr viel erreicht. Deshalb kann ich heute als Trainer glaubhaft vermitteln, wie wichtig es ist, permanent an sich zu arbeiten und sich verbessern zu wollen. (Ralph Hasenhüttl).


Die Lehrperson: der Anders- anstatt Besser-Wisser

Es geht mir anstelle einer Erzeugungsdidaktik (Meister) um eine systemisch-konstruktivistischen Ermöglichungsdidaktik (Gärtner).

Erstere stellt dem unvollkommenen Schüler einen scheinbar allwissenden Meister gegenüber, der ihn nach seinen Vorstellungen und Zielen erziehen möchte. Dabei reagiert der Schüler in einer passiven Haltung lediglich auf die Lehranweisungen des Meisters.

Die Ermöglichungsdidaktik dagegen richtet sich nach dem Lernprozess und dem Output des Lernenden, es wird an die Vergangenheit, an das Wissen und Können des Lernenden beständig angeknüpft und gemeinsam dessen Wirkung und Lernverhalten reflektiert. Anstelle von Planungssicherheit sind Überraschungen, Scheitern und Unvorhergesehenes willkommen und werden als Chancen genutzt. So wird Unberechenbarkeit und Kreativität bewusst erzeugt, es entsteht Beratung anstatt Belehrung, ein wachsen Lassen anstelle von Führen, eine Orientierung an Ressourcen anstatt an Defiziten.


Der Schüler - der (möglichst) Alles-Wisser

Ich bin begeisterter Anhänger der Ausbildungsakademie La Masia des FC Barcelona sowie der Freiburger Fußballschule. Beiden ist gemein, dass das Training fast ausschließlich mit dem Ball (≙ am Musikinstrument) stattfindet und die Fußballer in der Jugend alle Positionen spielen und sich erst spät festlegen (≙freie Wahl des eigenen Instruments sowie unabhängig davon von Anfang an allgemeinmusikalische Inhalte).

Dies führt im Fußball dazu, dass einem Spieler in der A-Jugend, bis zu welcher die feste Position zumeist gefunden wurde, all die anderen Positionen und damit die Aufgaben seiner Mitspieler bestens bekannt sind. So kann er seine Mitspieler gut einschätzen und sich selbst so verhalten, dass es dem Spiel der gesamten Mannschaft zum Vorteil gereicht.

Im musikpädagogischen Kontext kann ein solcher Ansatz eine viel versprechende Abkehr von einem bis hinein in den Profibereich weit verbreiteten Phänomen bewirken. Prof. Anthony Plog bezeichnet dieses als musical illiteracy, musikalischen Analphabetismus. Er schildert hierbei, wie er beispielsweise bei Studierenden, die sich auf Probespiele im Orchester vorbereiteten, oft eine als ganz selbstverständlich hingenommene Unkenntnis der eigenen Literatur vorgefunden habe. Über die eigene und meist auf technisch hohem Niveau vorbereitete Stimme hinaus sei den SpielerInnen der Notentext nahezu unbekannt, oft ebensowenig das gesamte Stück und teilweise sogar der Komponist - Komponenten, die laut Plog entscheidend zu einem besonderen Vortrag der Stellen notwendig seien und im Allgemeinen ganz einfach zum Rüstzeug eines Musikers gehörten.

Im Bestreben, hieraus Lehren zu ziehen, lasse ich SchülerInnen beispielsweise von Anfang an hochwertige Aufnahmen der erarbeiteten Literatur oder auch eines vom ihnen selbst gewählten Werkes hören, bringe Videos in den Unterricht ein, nehme die Schüler auf und stelle sie vor Herausforderungen, die trompetenuntypisch sind und genauso einem Geiger oder Pianisten, sprich: jedem Musiker gestellt werden könnten.

Denn die das eigene Tun inspirierende Vorstellungskraft muss den aktuellen Status stets übersteigen und entsprechend gefüttert werden.